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"Ein Zeichen gegen den sozialen Tod"

Datum:
Veröffentlicht: 17.11.14
Von:
Jutta Behr-Groh, Fränkischer Tag

FT-Artikel vom 30. Oktober 2014

Auch in Bamberg sterben Menschen unbemerkt.Waren sie konfessionslos, gab es früher niemanden, der ihnen einen würdigen Abschied bereitete. Der Hospizverein hat sich dies zur Aufgabe gemacht.

„Wir sind heute hierher gekommen, um zwei Menschen die letzte Ehre zu erweisen. Da es niemanden gibt, der sich um ihre letzten Angelegenheiten kümmert, werden sie auf Kosten des Sozialamtes bestattet. Sie waren aber Menschen und wir wollen versuchen, ihnen heute noch einmal ein Gesicht zu verleihen und sie würdig zu verabschieden.“
So oder ähnlich beginnt manche Trauerrede von Michael Maisch. Der 66-jährige Bamberger ist einer von vielen Ehrenamtlichen, die sich beim Hospizverein für ein würdiges Leben bis zuletzt engagieren. Dazu gehört aus ihrer Sicht auch eine würdevolle Beisetzung für Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind und am Ende ihrer Tage allein, manchmal zudemmittellos, dastanden.


Tagelang tot in der Wohnung
Zum Beispiel Wolfgang R. und Manfred T. Den beiden Männern galt die Rede, aus der das Eingangszitat stammt. Sie hatten im Herbst 2012 mehrere Tage tot in ihren Wohnungen in Bamberg-Ost und der Gartenstadt gelegen, ehe ihr Ableben bemerkt worden war.
Bis Mitte 2011 wurden in Bamberg konfessionslos Verstorbene, für die es keine nach dem Gesetz bestattungspflichtigen Hinterbliebenen gab, anonym beigesetzt. Es gab keinen vorher bekannt gegebenen Termin, folglich kein letztes Geleit und nicht einmal eine als solche erkennbare letzte Ruhestätte.
Erst ein Memorandum des Gaustadter Pfarrers Matthias Wünsche beendete diese traurige Praxis bei den so genannten Sozialbestattungen. Seither besteht in der V. Abteilung des Friedhofs an der Hallstadter Straße eine von den beiden großen christlichen Kirchen und dem Hospizverein finanzierte Grabanlage. 44 kleine Messingtafeln geben Auskunft über die Frauen und Männer, deren sterbliche Überreste oder Asche inzwischen dort beigesetzt wurden.
Die meisten gehörten einer Kirche an. Für sie gab und gibt es ökumenische Aussegnungsfeiern – die erste ihrer Art fand am 21. Juli 2011 statt. Die erste vergleichbare „Abschiedsfeier“ für Verstorbene ohne Konfession datiert vom 3. August 2011. Die nächste wird am10.Dezember 2014 durchgeführt – bei Bedarf.
Auf den ersten Blick wirkt die langfristige Terminierung befremdlich. Doch es gibt gute Gründe dafür, wie Anne Bergen darlegt: So könne man im Hospizverein und auch in den Kirchengemeinden dafür werben, jemandem das letzte Geleit zu geben, an dessen Grab sonst keiner stünde.
Bergen arbeitet ebenfalls ehrenamtlich im Hospizverein: Sie ist die Ansprechpartnerin für die Alten- und Pflegeheime. Den Abschiedsfeiern für konfessionslos und einsam Verstorbene beizuwohnen, ist für sie „Christenpflicht“. Sie hat, wie sie sagt, die Teilnahme bisher stets als Bereicherung erlebt: „Man geht anders von der Beerdigungsfeier weg, als man hingegangen ist.“
Zehn Mal hat Maisch seit Mitte 2011 ehrenamtlich Trauerreden verfasst und vorgetragen. Einige sind auf der Homepage des Hospizvereins Bamberg im Internet nachzulesen. Aus seinen Nachrufen spricht eine rundum positive Grundeinstellung allen Menschen gegenüber. Er beschönigt nicht die Brüche in den Biografien; er benennt sie jedoch in einer Art und Weise, die erklären kann, warum jemand den Kontakt zur Familie abgebrochen hatte, als Außenseiter lebte oder in seiner Umgebung als schwierig galt.
Über SonjaT. etwa war bei der Abschiedsfeier zu erfahren, dass sie vor ihrem Tod längere Zeit krank war: „Es schien, als ob ihr Lebenswille gebrochen war.Wir wissen nicht, wie stark und warum. Und manchmal führte ihre Bedrücktheit zu schroffen Bemerkungen gegenüber anderen Hausbewohnern.“
Über einen griechischen Gastarbeiter, der in Bamberg ebenfalls einen einsamen Tod starb, obwohl er fast 50 Jahre in ein und derselben Wohnung in der Altstadt gelebt hatte, hörte man, dass er nicht lesen und schreiben konnte – vielleicht eine Erklärung dafür, warum er sich so zurückgezogen hatte. In der Trauerrede auf ihn hatte es geheißen: „Man kann sagen, dass er vor seinem eigentlichen Tod schon den sozialen Tod in Raten gestorben ist.“ Eine Aussage, die auf nahezu alle zutrifft, die in der so genannten Ordnungsamtsgruft ihre letzte Ruhestätte finden.
Entsprechend schwierig sind Maischs Nachforschungen über das Leben derer, die am Ende ihrer Tage mutterseelenallein waren. Vom Friedhofsamt erfährt er Name, Sterbe- und Geburtsdatum, letzte Wohnanschrift. Mit Hilfe von Adress- und Telefonbuch versucht er als Erstes, Nachbarn oder Vermieter zu finden, die ihm etwas über die Person und eventuelle Sozialkontakte sagen können.Manchmal ergeben sich weitere Anknüpfungspunkte. Und manchmal haben seine Recherchen den erfreulichen Nebeneffekt, dass doch ein paar Leute kommen, um jemandemaus ihrem Umfeld das letzte Geleit zu geben.