Der Hospizverein Bamberg begleitet Menschen auf ihrem letzten Weg:In Würde Abschied nehmen...
Der Wortwechsel zweier Peanuts-Figuren zum Thema Tod ist Kult. Charlie Brown: „Eines Tages werden wir alle sterben, Snoppy!“ Darauf ganz cool der Hund: „Aber an allen anderen Tagen werden wir leben!“ So ermunternd und richtig dieser Spruch des Comic-Helden ist - für ein würdevolles Leben kurz vor dem Tod sorgen in Bamberg zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer des Hospizvereins. Jedes Jahr begleiten sie Sterbende auf ihrem letzten Weg, hören den Schwerstkranken zu, spenden Trost, beraten und sprechen mit den Angehörigen. Die FN durchlebte mit den Hospiz-Begleitern Brigitte Brändel und Peter Panzer die Tage vor dem Tod.
FN: In Würde leben - kurz vor dem Tod - wie muss man sich das vorstellen?
Panzer: Der hospizliche Gedanke ist ja, dass die Menschen in ihrer gewohnten Umgebung sterben können. Und deswegen bieten wir Begleitung im Sterbefall an. Der Todkranke kann dabei bestimmen, wie seine letzten Tage verlaufen sollen. Und wir versuchen seinen Wunsch zu realisieren.
FN: Wie und wo betreuen Sie diese Menschen?
Brändel: Wir betreuen diese Menschen an verschiedenen Orten. Zuhause, im Kreise der Angehörigen. Das ist das „schönste“ Abschiednehmen. Wir betreuen aber auch Sterbende in Altersheimen. Dort hat die Pflege oft zu wenig Zeit, jemandem länger Gesellschaft zu leisten, zuzuhören oder auch mal die Hand zu halten. Wir sind aber auch in Kliniken aktiv. In die Bamberger Palliativstation geht jeden Tag jemand von uns hin. Und wir schenken „einfach nur“ Zeit.
FN: Ich habe mal den Slogan gehört „Einfach mal zuhören können“...
Panzer: Es geht darum, für den Menschen da zu sein. Es geht nicht darum, ihm irgendwas zu erzählen. Es geht um den Sterbenden und nicht um uns. Wir nehmen uns da komplett zurück und hören zu, was er noch zu sagen hat, sofern er das noch kann.
FN: Was wollen Menschen kurz vor ihrem Tod noch sagen?
Brändel: Das ist ganz unterschiedlich. Ich habe eine jüngere Frau begleitet, die wollte gerne noch Ausflüge machen. Gerade ältere Menschen erzählen viel von ihrem Leben. Und es gibt einsame Menschen, die einfach nur froh sind, dass jdn. für sie da ist. Für viele spielt auch der Glaube eine große Rolle.
FN: Wie zeitintensiv ist Ihre Tätigkeit?
Panzer. Dadurch, dass wir ehrenamtlich arbeiten, haben viele von uns nicht unendlich viel Zeit. Im Schnitt sind das zwei Termine in der Woche, Vielleicht zwei, drei Stunden. Wenn der Mensch in der Sterbephase ist, dann kann es auch schon mal mehr sein, sodass man fast jeden Tag mal vorbeikommt. Und dann auch für eine längere Zeit. Das entscheidet die Situation.
FN: Warum blickt man dem Tod jeden Tag freiwillig ins Gesicht?
Brändel: Die Motivation dazu ist sicherlich bei jedem Ehrenamtlichen anders. Ich habe langjährige Erfahrungen mit Tod und Sterben. Meine Großeltern sind zuhause verstorben. Und ich habe jahrelang in der Pflege gearbeitet. Da gab es leider wenig Zeit für Zuwendungen. Man konnte sich nicht zu den Angehörigen setzen. Jetzt habe ich diese Zeit, da meine Kinder fast erwachsen sind.
Panzer: Vor einigen Jahren ist ein Freund von mir auf der Straße an einem Herzleiden gestorben, dass man vorher nicht erkannt hat. Das war der Auslöser, mich mit dem Thema Tod intensiv zu beschäftigen. Und es ist ja auch nicht immer so, dass alles immer total traurig ist. Es gibt Begleitung, da ziehe ich meinen Hut vor dem Sterbenden, weil dieser sich so souverän aus dem Leben verabschiedet, obwohl ja keiner weiß, was danach kommt. Diese Menschen sind froh, ihr Leben so gelebt zu haben. Sie haben gemacht, was sie machen wollten. Und können ruhigen Gewissens sterben.
FN: Kann das Sterben auch schön sein?
Panzer: Es kann auf jeden Fall eine Erlösung sein, gerade wenn man in einer schweren Krankheitsphase ist. Zum Glück gibt es heute Mittel, die Schmerzen weitestgehend zu reduzieren. Und ältere Menschen nehmen ja auch wahr, wie körperliche und geistige Fitness nachlassen und verfallen. Da kann ein Tod gerade nach einem erfüllten Leben auch eine Befreiung sein.
FN: Verliert der Tod durch Ihr Engagement sein Grauen?
Brändel: Grauen ist vielleicht das falsche Wort. Der Tod schreckt mich nicht so wahnsinnig. Ich denke nicht jeden Tag über meinen eigenen Tod nach. Ich beschäftige mich eher mit meinem Leben. Jeden Tag, den ich habe, lebe ich bewusst.
FN: Wie gehen Sie mit den psychischen Belastungen um?
Panzer: Wir haben eine gute Betreuung durch die hauptamtlichen Führungskräfte. Wir haben Supervision. Wir haben die Möglichkeit, uns in Gruppenabenden mit den anderen Helferinnen und Helfern auszutauschen, gerade wenn einer von uns Hilfestellung braucht. Wir sind also gut aufgestellt. Es kommt hinzu, dass die Beziehung zu dem Sterbenden doch distanzierter als zu einem näheren Verwandten ist. Wir sehen das Sterben auch nicht als Grauen, sondern es gehört einfach zum Leben dazu.
FN. Wie sieht eine ehrenamtliche Ausbildung zum Hospiz-Helfer aus?
Panzer: Wir haben eine dreimonatige Grundausbildung mit mehreren Kursen zu den verschiedenen Themen. Hinzu kommt eine praktische Phase auf der Palliativstation. Und dann wählt man aus. Wir machen ja nicht nur Sterbebegleitung, sondern viele von uns beraten ja auch z. B. zum Thema Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung.
FN: Welche Voraussetzungen muss man haben, um als ehrenamtlicher Hospiz-Helfer tätig zu werden?
Brändel: Man muss emphatisch sein, sich zurücknehmen können und auf den Sterbenden eingehen können. Ob man das kann, muss jeder für sich selber herausfinden.
Panzer: Man muss mit sich selber im Klaren sein. Ansonsten könnten schon belastende Situationen entstehen. Wichtig ist, dass wir neue ehrenamtliche Kräfte finden. Früher wurde der Dienst hauptsächlich von Frauen im Pensionsalter geleistet, heute haben wir immer mehr Ehrenamtliche aus dem Berufsleben und es stoßen auch immer mehr Männer zu uns.
FN: Wenn man einem Kind das Leben rettet, hat man Glücksgefühle... Wo erfahren Sie in der Hospizarbeit solche Gefühle?
Brändel: Ich fühle mich gut, wenn meine Begleitung rundläuft. Die Menschen sind dankbar. Und ich bekomme auch positive Rückmeldungen von Angehörigen.
Panzer: Wenn ein Sterbender einen erkennt und ein Lächeln auf den Lippen hat, ist das für mich schon Belohnung genug.
FN: Wer entscheidet, welcher Sterbende welche Begleitung bekommt?
Panzer: Die Einsatzleitung. Sie wägt ab, wer zu wem passt. Es gibt natürlich auch Fälle, bei denen die Chemie nicht stimmt. Das sind aber absolute Ausnahmen.
FN: Welche Rolle spielt der Glaube angesichts des Todes?
Brändel: Gerade bei der älteren Generation, aber nicht nur, spielt der Glaube doch immer wieder eine große Rolle. Ältere Menschen verfolgen auch gerne die Lesung, fragen nach dem Pfarrer und wollen die Kommunion. Viele sagen auch: „Ich gehe jetzt bald zum lieben Gott!“ Ich finde es schön, dass sie so ihren Trost finden.
FN: Sie suchen auch das Gespräch mit den Angehörigen...
Panzer: Es gibt auch Konflikte in der Familie. Da kann man manchmal noch etwas kitten, kann als Außenstehender helfen, dass die Leute sich versöhnen, zur Ruhe kommen und einen über Jahre schwelenden Konflikt bei Seite legen.
FN: Was hat Corona mit Ihnen und den Sterbenden gemacht?
Brändel: Wir waren ausgebremst, wir hatten nur telefonisch Kontakt. Wir durften nicht an die Sterbenden persönlich herantreten. Das hat mir schon sehr gefehlt.
Wir waren traurig, dass wir aufgrund behördlicher Bestimmungen, viele Menschen in ihrer sozialen Isolation alleine lassen mussten.
Das Interview führte Thomas Pregl von der "Fränkischen Nacht".