Einfach da sein und zusammen aushalten
Wie kann Begleitung durch den Hospizverein aussehen
An einer Bürotür klebt ein kleiner gelber Smiley. Auch Monika Schauer lächelt, als sie die Tür in den Räumen des Bamberger Hospizvereins öffnet. Seit zehn Jahren arbeitet die 68-Jährige hier ehrenamtlich. Durch Zufall ist sie damals auf den Verein aufmerksam geworden. „Der Mann einer Freundin lag auf der Palliativstation, und ich habe ihn oft besucht“, erzählt sie. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mich hier wohlfühle. Es nimmt sich jeder viel Zeit.“ Die gelernte Arzthelferin absolvierte eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin. Seit dem Ruhestand findet sie mehr Zeit für ihre Arbeit im Verein und die Menschen, die es zu begleiten gilt.
Zum Beispiel den 60-Jährigen, der an Lungenkrebs litt - und der als erstes die Frage nach einem “Giftbecher” stellte, wie es ihn in der Schweiz gebe. Nein, einen Giftbecher gebe es nicht, machte sie ihm klar. Aber sie könne ihn auf seinem Weg begleiten. Von Sterbehilfe sprach er danach nie wieder. Monika Schauer hat ihn im folgenden Jahr vielfältig begleitet und unterstützt. „Vom Arzt wollte er wissen, wie lange er noch zu leben habe. Ob es sich lohne, ein neues Auto zu kaufen. Der Arzt wusste es nicht genau. Ich habe dem Mann geraten, sich gleich ein Auto zu kaufen“, erzählt Monika Schauer. Das habe er getan und sei auf einer Spritztour im neuen Wagen noch einmal aufgeblüht.
Eines Tages spürte er, dass es zu Ende ging. Er kam auf die Palliativstation. Sein Zustand hatte sich dramatisch verschlechtert. Monika Schauer war für ihn da. An einem Abend saß sie im Dunkeln an seinem Bett. „Auf einmal hat er sich bei mir für alles bedankt und gesagt, dass er möchte, dass ich jetzt rausgehe. Er wollte allein sterben“, schildert sie. In dieser Nacht ist er gestorben. Es sei ihr schwer gefallen zu gehen, erinnert sich Schauer. “Aber es geht um die Wünsche des Sterbenden, ich muss mich da zurücknehmen.“
Ehrenamtlich wirken im Hospizverein, das bedeutet für Monika Schauer, neben anfallender Büroarbeit, vor allem Sterbende und deren Angehörige in Zeiten des Abschieds zu begleiten. Sie fährt in Seniorenheime, besucht Schwerstkranke und ihre Familien zu Hause oder verbringt Zeit mit den Patienten auf der Palliativstation.
Die Palliativstation der Sozialstiftung Bamberg strahlt in vielen bunten Farben. An den Wänden hängen Ölbilder, überall stehen grüne Pflanzen. Hinter hellbraunen, verschlossenen Türen befinden sich zwölf Patientenzimmer. Am Ende eines Ganges hängen eingerahmte Bilder: Malereien der Patienten. Handabdrücke, Blumen, der Himmel. Unter dem Bild von einem farbigen Regenbogen steht der Name seiner Künstlerin. Frau A., 60 Jahre, Brustkrebs.
Das meditative Herzstück der Station ist ein dreieckig geschnittener Raum der Stille. Hier können Angehörige, egal welcher Religion, für ihre Verstorbenen beten oder einfach nur da sein und sich an die Verstorbenen erinnern. Für jeden Verstorbenen der Palliativstation ist in einem Gedenkbuch eine Seite reserviert für Andenken, Bilder und Erinnerungen. Oft tragen Angehörige ihre Worte ein, doch wenn dies nicht möglich ist, übernimmt das eine Mitarbeiterin des Hospizvereins.
In einer Schale links im Raum liegen verwelkte Rosenblätter. Jeder Verstorbene bekommt eine Rose auf die Brust gelegt, die anschließend in den Raum der Stille gebracht wird. Neben der Schale stehen, in einer Reihe angeordnet, weiße Kerzen. „Immer wenn jemand stirbt, zünden wir eine Kerze an“, erklärt Monika Schauer. Heute brennt eine Kerze.
Nicht alle Patienten sterben auf der Palliativstation. Einige sind nur ein paar Tage dort, um ihre Schmerzbehandlung einstellen zu lassen. Gemeinsam ist allen die neue, unbekannte Situation auf der Station. Monika Schauer will etwas von dem Unbehagen abnehmen. Sie kennt die Strukturen und spürt, wenn Patienten Redebedarf haben oder schweigen wollen. „Es passiert viel im Stillen.“ Oft sei es schon tröstlich einfach zu wissen, dass jemand da ist.
Eine ältere Dame, die auf der Palliativstation lag, habe immer von ihrer Lieblingshenne erzählt. Irgendwann hat die Familie die Henne dann einfach mal mitgebracht. „Ihre Augen haben geleuchtet“, beschreibt Monika Schauer. Ein ehemaliger Pilot durfte noch einmal fliegen. Nach seinem Tod habe man einen rührenden Dankesbrief gefunden. Manchmal sind es auch ganz kleine Wünsche, die erfüllt werden. „Ich habe einmal für eine alte Frau Rührei gekocht. Das hat sie sich so sehr gewünscht“, erzählt Schauer. „Das hat sie an die Zeit erinnert, als sie für ihren verstorbenen Ehemann zum Frühstück Rührei mit Zwiebeln gebraten hat. Sie hat zwar nur eine Gabel voll gegessen, aber es ging ja nicht um das Essen, sondern um die schöne Erinnerung.“
Manchmal, sagt Schauer, werde sie von Sterbenden gefragt, warum es ausgerechnet sie treffe. Dann habe sie zwar keine Antwort, wisse aber, dass es gut sei, einfach da zu sein. „Je mehr ich miterlebe, wie schnell das Leben zu Ende sein kann, desto mehr schätze ich all die kleinen, schönen Momente im Leben. Und ich bekomme immer mehr zurück als ich gebe“, lächelt Monika Schauer. Deswegen wird sie weitermachen. Für Menschen da sein. Bis zum letzten Augenblick.
Text: Jana Röckelein, Hendrik Steffens - Crossmedia/Publikationen, Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, Erzbischöfliches Ordinariat