Erste Trauerfeier für konfessionslose Verstorbene ohne Angehörige
Jedes Jahr sterben in Bamberg etwa 20 bis 25 Menschen, die keine Angehörigen haben und für deren Bestattung daher das Amt für soziale Angelegenheiten aufkommen muss. Seit Mitte 2011 gestaltet der Hospizverein Bamberg die Trauerfeier für die Verstorbenen, die keiner Religionsgemeinschaft angehörten (ohne Konfession oder Religion). Als vor zwei Jahren die Gedenkinstallation „Stiller Abtrag“ in der Kirche St. Elisabeth im Sand gezeigt wurde, kam dieses Thema in Bamberg erstmals ins öffentliche Bewusstsein.
An einem Runden Tisch trafen sich Anfang dieses Jahres Vertreter des Sozial- und Friedhofsamtes, der Kirchen, des Hospizvereins und der zuständige Bestatter. Es wurde vereinbart, dass für diese Verstorbenen eine eigne Gruft auf dem Hauptfriedhof eingerichtet wird. Die katholische und die evangelische Kirche Bamberg kommen für die Kosten auf.
Während in der Vergangenheit die Bestattung in allen diesen Fällen „still“ vorgenommen wurde, also ohne Trauerfeier, Blumen und Öffentlichkeit, wird der Verstorbenen dieses Jahr zum ersten Mal bei zwei eigens für sie durchgeführten Feiern gedacht. Eine Trauerfeier wird für die einer Glaubensgemeinschaft Angehörigen von Vertretern der Kirchen durchgeführt. Eine weitere Trauerfeier für die Verstorbenen ohne Konfession oder Religion gestaltet der Hospizverein Bamberg.
Diese letztere Feier fand zum ersten Mal am 3. August 2011 in der Aussegnungshalle des Hauptfriedhofs statt. Anwesend waren 13 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizvereins. Sie gaben der Feier einen würdigen Rahmen in einer von Ehrfurcht und Respekt getragenen Atmosphäre.
Die Trauerrede hatte folgenden Wortlaut:
Trauerrede für konfessionslose Verstorbene ohne Angehörige
3. August 2011, Bamberg Hauptfriedhof
(Musik: Johann Sebastian Bach, Air Orchestersuite Nr. 3)
Sehr geehrte, liebe Anwesende,
wir sind heute hierher gekommen, um denen die letzte Ehre zu erweisen, die niemand betrauert. Niemand erinnert an ihr Glück und ihr Leid, ihr Lachen und Weinen. Schier unfassbar ist es, dass sie von dieser Welt verschwinden sollen, ohne Spuren zu hinterlassen.
Das Wenige, was wir von ihnen wissen, sei hier berichtet:
Frau Franziska Maria H. verstarb am 17. März dieses Jahres wenige Tage vor ihrem 89. Geburtstag im Krankenhaus. Sie wohnte zuletzt in Bamberg in der Nürnberger Straße. Bamberg ist auch ihre Geburtsstadt.
Ihr gesetzlicher Betreuer beschreibt sie als sehr zurückgezogen. Auf seine Versuche, im Gespräch etwas über ihr Leben zu erfahren, ging sie nicht ein. Frau H. war zweimal geschieden; Kinder sind in den standesamtlichen Unterlagen nicht genannt.
Herr Gerald H. wurde am 22. Januar 1957 in der Stadt Saalfeld an der Saale in Thüringen geboren. Gemäß dem alten Bergbau- und Hüttenwesen der Stadt war sein Vater dort Hüttenarbeiter.
Der Verstorbene übte den Beruf des Bus- und LKW-Fahrers aus. Viele Fotos, die er stolz seinem Betreuer zeigte, legen davon Zeugnis ab. Sein Interesse galt auch nach seiner Übersiedlung nach Bamberg den alten Herstellermarken Osteuropas, worüber er viele Bücher besaß.
Nach einem Schlaganfall war Gerald H.s linker Arm gelähmt und er war auf den Rollstuhl angewiesen. Aber mit einer unvergleichlichen Anstrengung gelang es ihm mit Hilfe einer Teleskopbürste seine Wohnung selbst zu streichen. Als dann im Fortschreiten seiner Erkrankung ein Bein amputiert werden musste, wurde er pflegebedürftig und kam in die Pflegeeinrichtung im GEWO-Seniorenwohnpark Lichteneiche. Herr H. blieb ledig und hatte keine Kinder. Er starb im Alter von 54 Jahren am 24. März im Krankenhaus.
Frau Theresia Maria F. wurde am 14. April 1925 in Berlin als Tochter eines Drogisten geboren. Als sie am 28. März in einem Bamberger Seniorenzentrum starb, verfehlte sie ihren 86. Geburtstag nur um wenige Tage. Ihr Aufenthalt im Seniorenheim dauerte nur wenige Wochen. Aber sie hat bei den Schwestern dort einen liebevollen Eindruck hinterlassen.
Frau F.s eigene Schwester beging Suizid, worüber sie aber wenig sprach. Ein Neffe von ihr hielt keinen Kontakt zu ihr.
Über eine Ehe oder Kinder ist nichts bekannt. Frau F. war als medizinisch-technische Assistentin zumindest 10 Jahre und teilweise in leitender Stellung tätig.
Aus ihren Erzählungen – deren Realitätsgehalt nicht immer nachprüfbar war aufgrund ihrer leichten Demenz – ging hervor, dass ihre große Jugendliebe ein Spanier war. Der aber lebt in Spanien, ist dort verheiratet und hat Kinder. Eines Tages erschien aber der Spanier tatsächlich im Seniorenzentrum und wollte Frau F. mit nach Spanien nehmen. Da er nur spanisch sprach, war die Verständigung mit dem Pflegepersonal nicht gut möglich. Die Geschichte hätte ein romantischeres Ende finden können. So aber ließ sich der letzte Traum von Theresia Maria F. nicht verwirklichen. Am Freitag reiste die spanische Jugendliebe zurück, am Dienstag darauf verstarb sie als noch immer Geliebte.
Drei Schicksale, drei Leben, uns zum ehrenden Angedenken überlassen.
Mögen die Verstorbenen dort, wo sie jetzt sind, dort, von wo wir alle herkommen und wohin wir alle gehen werden, mögen sie dort ihren Frieden finden. Da dieser Ort oder dieser Zustand für unseren menschlichen Verstand nicht in Worte gefasst werden kann, gilt der Satz des Philosophen Ludwig Wittgenstein: „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“
Lassen Sie uns ein paar Momente gemeinsam schweigen zum Tod von Franziska Maria H., Gerald H. und Theresia Maria F.
(Musik: Felix Mendelssohn Bartholdy, Venezianisches Gondellied)
Danke.
Michael Maisch