"Ihr Einsatz für andere: Ehrensache"
FT-Artikel vom 17. Dezember 2013
„Hilflos habe ich miterleben müssen, wie meine Eltern starben“, erinnert sich Helmut Göbel. Damals erwachte in ihm der Wunsch, anderen beizustehen, die von Schwerstkranken Abschied nehmen müssen – voller Angst, Unsicherheit und vielleicht auch dem Gefühl von Verlorenheit. So begann sich der heute 74-Jährige im Hospizverein zu engagieren, um Sterbende und deren Angehörige durch die schwersten Stunden zu begleiten, „sie nicht allein mit ihrer Verzweiflung zu lassen“. Wie vielen Familien der Bamberger auf diese Weise in über zwei Jahrzehnten beistand, weiß er heute kaum mehr zu sagen. Gestern wurde Helmut Göbel als „Mensch, der sich in besondere Weise um die Hospizarbeit im Bamberger Raum, in Franken und darüber hinaus verdient gemacht hat“, wie sich Andreas Starke (SPD) in seiner Laudatio ausdrückte, mit der Bamberger Bürgernadel geehrt. Darüber hinaus verlieh der OB gemeinsam mit Walter Schweinsberg, dem Geschäftsführer der Mediengruppe Oberfranken (MGO), Renate Selg, Marie Luise Stichling und Ursula Müller, die sich ebenfalls über Jahre hinweg selbstlos für andere einsetzten, die Auszeichnung der Stadt Bamberg und der MGO. Im Namen der Mediengruppe Oberfranken, die auch Chefredakteur Frank Förtsch bei dem feierlichen Anlass vertrat, begrüßte Walter Schweinsberg die geladenen Gäste und anwesenden Stadträte: Er stellte die Verleihung der Bürgernadel „als Zeichen unserer Verbundenheit und besonderen Nähe zu den Menschen der gesamten Region“ heraus. Schließlich, so der MGO-Geschäftsführer, gelte es, ehrenamtlichen Einsatz ebenso wie Initiativen und Einrichtungen zu würdigen, die zum „regionalen Selbstbewusstsein beitragen“.
42 Männern und Frauen verliehen
42 Männern und Frauen wurde seit 2010 die Bürgernadel verliehen, um Menschen, die im Stillen wirken, „Dank und Anerkennung auszusprechen“, wie Starke betonte, der das ehrenamtliche Engagement als wesentliche Stütze der Gesellschaft, ja als „Salz in der Suppe“ bezeichnete. Was aber bringt
Menschen dazu, sich der Nöte Fremder anzunehmen – unentgeltlich und meist auch ohne Würdigung, wie sie den vier Geehrten gestern im Tagungsraum des Tourismus- und Kongress- Service zuteil wurde. „Es fällt mir schwer, wegzusehen – Leid und Elend einfach zu ignorieren“, meint Helmut Göbel, der an der Hospizakademie auch die Beratungsstelle für Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten leitet, und sich darüber hinaus bei der Action 365 engagiert: eine in den 50er-Jahren gegründete ökumenische Laienbewegung, die aus dem Gedanken heraus entstand, es genüge nicht, über Probleme in Kirche und Gesellschaft nur zu diskutieren und Missstände anzuprangern. Taten statt Worte lässt der 74-Jährige in diesem Sinne sprechen – nicht anders als Renate Selg, Marie Luise Stichling und Ursula Müller.
Keine Last, eine Bereicherung
„Es ist wunderbar, für etwas geehrt zu werden, das man selbst keineswegs als Last, sondern Bereicherung empfindet“, sagt Renate Selg, die sich über ihre Auszeichnung ebenso überrascht zeigte wie die anderen Bamberger. Zwei Jahrzehnte lang nahm sie sich der Sorgen und Nöte von Menschen als ehrenamtliche Mitarbeiterin der Telefonseelsorge an. Um sich ab 1986 darüber hinaus „als Pionierin des Frauenhauses“ zu engagieren, so OB Starke, der mit leisem Schmunzeln noch bemerkte, welches Geschick und welchen Ideenreichtum Renate Selg beim Spendensammeln zeigte. „Natürlich nehmen einen viele Schicksale mit. Und es gab Abende, an denen mich solche Erlebnisse zum Weinen brachten“, sagte die 76-Jährige im persönlichen Gespräch zu ihrer Tätigkeit. „Aber es drängte mich, etwas Sinnvolles zu tun. Gerade nachdem ich selbst ein glückliches Leben führe.“ Veränderten die Bambergerin die Erfahrungen, die sie in 34 Jahren
machte? „Ich denke, ich habe heute viel mehr Verständnis für Menschen, die ganz anders denken, anders empfinden und leben als ich.“ „Besonderer Zuwendung“ bedürfen auch die Schützlinge von Marie Luise Stichling, die seit vier Jahren Patienten der geriatrischen Abteilung der Sozialstiftung betreut, wie Starke ausführte. Freude und ein Gefühl der Wertschätzung bringt die 71-Jährige in den Alltag der Senioren, die sie bei gemeinsamen Spielen und Spaziergängen begleitet. Wobei das Engagement bei der Sozialstiftung auch nicht Marie Luise Stichlings einzige ehrenamtliche Tätigkeit ist, für die sie mit der Bürgernadel auszeichnet wurde: Zudem engagiert sich die Bambergerin dem OB zufolge seit einem Jahrzehnt beim Pfarramt St. Matthäus und wie Helmut Göbel in der eigenen Nachbarschaft, um Hilfesuchenden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen: „Und das sehen Sie als selbstverständlich an, was es keineswegs ist“, so Starke, bevor er der Bambergerin zusammen mit Walter Schweinsberg die Urkunde übergab.
Zum Geburtstag gratuliert
Als Vierte im Bund und somit 42. Trägerin der Bürgernadel rückte bei der gestrigen Verleihung Ursula Müller in den Blickpunkt: Eine mittlerweile 92-jährigeBambergerin, die sich noch im hohen Alter für „ihren Seniorenkreis“ einsetzt, den sie ganze 23 Jahre lang leitete: den Seniorenkreis des FC Eintracht. Und mit welchem Elan die Fränkin ihre „Mannschaft“ führte, zeigt die Tatsache, „dass sich die Mitgliederzahl in ihrer Amtszeit verdoppelte“, wie Bambergs OB betonte. Noch über ihren 90. Geburtstag hinaus organisierte Ursula Müller Ausflüge oder gar Reisen ins Ausland, der Starke gleich noch nachträglich zum 92. Geburtstag am 12. 12. gratulierte. „Ich danke Ihnen für so viel Leidenschaft, Ihnen als wahrem Vorbild“ gerade eben auch für gesellschaftliches Engagement bis ins hohe Alter.