Trauerfeier für konfessionslos Verstorbene ohne Angehörige
Michael Maisch, ein Vertreter des Hospizvereins Bamberg, gestaltet eine würdevolle Bestattung.
Sehr geehrte, liebe Anwesende,
wir sind heute hierher gekommen, um zwei Menschen die letzte Ehre zu erweisen. Da es niemanden gibt, der sich um ihre letzten Angelegenheiten kümmert, werden sie auf Kosten des Sozialamtes bestattet. Sie waren aber Menschen und die Würde des Menschen endet nicht mit seinem Tod. Deshalb wollen wir versuchen, den beiden Verstorbenen noch einmal ein Gesicht zu verleihen und sie würdig zu verabschieden.
Das Wenige, was wir von ihnen wissen, sei hier berichtet:
Manfred T. wurde am 6. Dezember, am Nikolaustag im Jahr 1951 in (...) geboren. Als es am Grünen Markt noch den Filmpalast gab, dort, wo heute im Erdgeschoss der Kochlöffel-Imbiss etabliert ist, wohnte der Verstorbene als Kind mit seiner Familie in einem der oberen Stockwerke. Er zog mit den Eltern Anfang der 70er Jahre in die (...)straße, wo er bis zu seinem Tod wohnte. Mitbewohner erlebten ihn als zurückgezogen und hatten keinen Kontakt mit ihm außer einem höflichen Grüßen. Über seinen beruflichen Weg wissen wir, dass er die letzten Jahre vor seiner Pensionierung bei der Agentur für Arbeit im Bereich Leistungsgewährung beschäftigt war. Im Kollegenkreis galt er als sehr kompetent und zuverlässig, auch im Umgang mit Kunden. Er wird beschrieben als hochintelligent und hilfsbereit. Außerdem war er ein begeisterter Schachspieler. Er liebte die Literatur, besaß eine Menge Sachbücher zum Thema Schach, von denen er viele verschenkte, aber auch Biografien und Weltliteratur fanden sein Interesse. Einen Fernseher brauchte er nicht. Er kam auch ohne ein eigenes Auto aus. Manfred T. war ein Genussmensch, der gerne kochte, einen guten Tropfen Wein oder Whisky oder auch eine edle Zigarre zu schätzen wusste. Manchmal saß er allein oder mit ein, zwei Freunden in der Bischofsmühle. Die Gespräche mit ihm waren nie bloßes Blabla. Er wirkte zufrieden und zuversichtlich. Allerdings machten ihm in den letzten Jahren Schlaganfälle zu schaffen, von denen er sich einigermaßen erholte. Auch gab es Ärger mit den neuen Inhabern seiner Wohnung. Völlig unerwartet für die wenigen, die ihn kannten, hat er sich am 23. August im Alter von 66 Jahren in seiner Wohnung das Leben genommen.
Peter D. kam am 20. Januar 1946 in (...) am Main zur Welt. Er lebte ca. 20 Jahre in Bamberg in der (...)-Straße; zuerst mit seiner damaligen Lebensgefährtin, danach alleine im gleichen Haus in einer kleineren Wohnung. Er galt als ein Einzelgänger, der vielleicht mal mit einem Nachbarn sprach oder sich von ihm eine DVD auslieh. Gerne besuchte er die diversen Flohmärkte. Manchmal fuhr er mit dem Fahrrad in die Stadt und redete auch mit den Menschen, die sich öfter am ZOB treffen, ohne aber mit ihnen Bier zu trinken. Kontakte zu Obdachlosenkreisen hatte er auch in der Zeit, als er im Rahmen einer Maßnahme der Arbeitsagentur für ca. ein Jahr bei der Hilfsorganisation „Menschen in Not“ tätig war. Er erledigte dort Einkäufe und einfachere Hausmeistertätigkeiten. Später besorgte er einem aus diesem Umfeld eine Wohnung im Haus, in dem er wohnte. Eine bemerkenswerte Parallele tut sich hier auf: Anlass zur Gründung von „Menschen in Not“ war vor 20 Jahren unter anderem, dass bei der Beerdigung eines vereinsamten Menschen der Pfarrer alleine am Grab stand. Herzlichen Dank an alle Anwesenden, dass sie bereit sind, den Verstorbenen, die wir heute beisetzen werden, einen würdevollen Abschied zu gestalten. Der Wohnungsnachbar, dem Peter D. morgens immer die Bildzeitung brachte, wunderte sich, als er keine Zeitung bekam. Telefonisch war der Verstorbene auch nicht erreichbar. Der Nachbar verständigte die Polizei, die ihn tot in seiner Wohnung fand. Als Sterbedatum wird der 27. Juli 2018 angegeben. Da war Peter D. 72 Jahre alt.
Zwei Menschenleben, zwei Schicksale gingen zu Ende. Mögen die Verstorbenen dort, wo sie jetzt sind, dort, von wo wir alle herkommen und wohin wir alle gehen werden, mögen sie dort ihren Frieden finden. Da dieser Ort für unseren menschlichen Verstand nicht in Worte gefasst werden kann, wollen wir dem Rat des Philosophen Ludwig Wittgenstein folgen, der schrieb: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“
Lassen Sie uns ein paar Momente gemeinsam schweigen zum Tod von Manfred T. und Peter D.
Vielen Dank für Ihre Anteilnahme.
Lassen Sie uns nun gemeinsam die sterblichen Überreste von Manfred T. und Peter D. auf ihrem letzten Weg zum Grab begleiten.
Rede von Michael Maisch, gehalten am 26. September 2018, auf dem Bamberger Hauptfriedhof.