Trauerfeier für konfessionslose Verstorbene ohne Angehörige
25. September 2013, Bamberg Hauptfriedhof
Mein Name ist Michael Maisch. Ich spreche hier zu Ihnen als Vertreter des Hospizvereins Bamberg. Wir führen die Trauerfeier und die Beisetzung durch für Menschen, die auf Anordnung des Sozialamtes bestattet werden und keiner Religionsgemeinschaft angehörten.
Sehr geehrte, liebe Anwesende,
wir sind heute hierher gekommen, um T. T. die letzte Ehre zu erweisen. Er wurde am 30. Januar 1931 in Senikon in Griechenland geboren, einem abgeschiedenen Ort mit vielleicht 100 Einwohnern in einer Gebirgslandschaft südlich der Grenze zu Albanien. Er verstarb am 18. Juni dieses Jahres in Bamberg im Alter von 82 Jahren. Seine letzte Wohnadresse war Sutte 23. Dort hat er fast 50 Jahre bis zu seinem Tod gewohnt.
Über seine Kindheit und Jugend in Griechenland wissen wir nur wenig. Er hat ein paar Jahre die Schule besucht, arbeitete dann als Ziegen- und Schafhirte. Später – es war die Zeit der sogenannten Gastarbeiter – wanderte er aus und verdiente das Geld für sich und seine Familie zunächst in Belgien im Bergbau.
Danach lies er sich von einer Großbäckerei in München anheuern. Schließlich begann er am 23. August 1971 bei Michelin im neu errichteten Werk in Hallstatt. Als dort der erste Reifen vom Band rollte, war T. T. dabei. Am 31. Dezember 1990, nach fast 20 Jahren, endete das Arbeitsverhältnis und er ging kurz vor seinem 60. Geburtstag vermutlich in den Vorruhestand.
T. T. war in seiner Heimat verheiratet und hatte mit seiner Frau zwei Söhne. Aber Ehe und Familie gedeihen manchmal schwer auf eine so große Entfernung wie die fast 2.000 Kilometer zwischen Bamberg und dem kleinen Dorf in Griechenland.
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Seiner Frau blieb auch nicht verborgen, dass ihr Mann in Deutschland eine Freundin hatte und sie ließ sich scheiden. „Geschieden“ lautet auch der Familienstand auf seiner Todesmeldung. Die Kontakte zur Exfrau und zu den Söhnen versiegten.
Herr T. war stets eine saubere und ordentliche Erscheinung. Er trat freundlich auf, seine Wohnung hielt er in einem Topzustand, wie sein langjähriger Vermieter bestätigt. Diesem erwies er gerne einen Gefallen. So versorgte er während dessen Urlaubs die Stallhasen und den Wellensittich oder er kümmerte sich um den Garten.
Er aß gerne gegrillten Fisch und an Ostern briet er nach griechischer Tradition Köstliches vom Lamm oder Zicklein, wozu er die Vermieter einlud. Ansonsten lebte er zurückgezogen, fast vereinsamt. In der Nachbarschaft kannte ihn eigentlich niemand. Man kann sagen, dass er vor seinem eigentlichen Tod schon den sozialen Tod auf Raten gestorben ist.
Da er nur gebrochen deutsch sprach, keinen Führerschein hatte und zunehmend von Krankheit gezeichnet war, unterstützte ihn der Vermieter beim Schriftverkehr mit Ämtern und beim Einkaufen. Als Herr T. dem Vorschlag nicht folgte, einen Einkaufszettel zu schreiben, stellte sich heraus, dass er nicht schreiben konnte. (Dieses Schicksal teilte er mit ca. 7 Millionen Menschen in Deutschand!)
Über das Verhältnis des Verstorbenen zur Religion wissen wir nichts. Er feierte das Weihnachtsfest gemäß dem orthodoxen Kalender am 6. Januar. Von Kirchgängen ist aber nichts bekannt.
Sein Name enthält Widersprüchliches zum Thema Religion und Glaube. Einer seiner berühmtesten Namenspatrone war Theodoros von Kyrene. Er lebte von 335 bis 271 vor unserer Zeitrechnung und hat sich vehement gegen die Existenz von Göttern ausgesprochen, daher sein Beiname „der Gottlose“. Die wörtliche Bedeutung des Namens Theodoros ist aber „Geschenk Gottes“. Und der Vorname des Verstorbenen, Theofanis, hat seinen Ursprung in der Theophanie, der Offenbarung Gottes. -
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In den letzten drei oder vier Jahre seines Lebens machte dem Verstorbenen die Gesundheit sehr zu schaffen. War es zuerst der Magen, kam später Leberkrebs hinzu. Dabei hatte er so gut wie nie Alkohol getrunken.
Mit dem Wissen, dass er bald sterben werde, kam er auf die Palliativstation des Bamberger Klinikums. Bei den Ärzten und den Pflegekräften hinterließ er einen menschlich angenehmen Eindruck. Ebenso bei den ehrenamtlichen Hospizmitarbeitern, die ihn noch begleiten durften. Er selbst sagte dankbar: „Wenigstens ein schönes Zimmer zum Sterben.“ Und er wollte noch unbedingt, dass sein weniges Erspartes seinen Söhnen zukommen sollte. Ein letztes Zeichen der Versöhnung.
Ein Leben, ein Schicksal ging zu Ende. Möge der Verstorbene dort, wo er jetzt ist, dort, von wo wir alle herkommen und wohin wir alle gehen werden, möge er dort seinen Frieden finden. Da dieser Ort für unseren menschlichen Verstand nicht in Worte gefasst werden kann, gilt der Satz des Philosophen Ludwig Wittgenstein: „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“
Lassen Sie uns ein paar Momente gemeinsam schweigen zum Tod von T. T..
(Musik: )
Vielen Dank für Ihre Anteilnahme.
Lassen Sie uns nun gemeinsam die sterblichen Überreste von T. T. auf ihrem letzten Weg zum Grab begleiten.