Trauerfeier für konfessionslose Verstorbene ohne Angehörige
12. März 2013, Bamberg Hauptfriedhof
Musik: Felix Mendelssohn Bartholdy, Venezianisches Gondellied
Sehr geehrte, liebe Anwesende,
wir sind heute hierher gekommen, um Frau Sonja T. die letzte Ehre zu erweisen. Da es niemanden gibt, der sich um ihre letzten Angelegenheiten kümmert, wird sie auf Kosten des Sozialamtes bestattet. Sie war aber ein Mensch, und wir wollen ihr heute noch einmal ein Gesicht verleihen und sie würdig verabschieden.
Das Wenige, was wir von ihr wissen, sei hier berichtet:
Sonja T., geborene B., kam am 28. Mai 1946 in Heidelberg zur Welt und starb am 17. November 2012 im Bamberger Klinikum am Bruderwald. Sie lebte zuletzt zurückgezogen in einem Haus in der Moosstraße, mit über 100 Mitbewohnern. Sie hatte kaum Kontakt zu ihnen und wenn, dann hauptsächlich über ihren Rauhhaardackel, der auf den Namen „Hummel“ hörte – oder auch nicht hörte, wie es bei Dackeln halt so üblich ist.
Ihren „Hummel“ muss sie wohl abgöttisch geliebt haben. Er wird auch als ein ganz liebenswertes Tier geschildert. So war er ihr es wert, nach einem Bandscheibenvorfall eine aufwändige und teure Operation durchführen zu lassen. Sie hat auch davon gesprochen, dem Tierschutzverein etwas zukommen zu lassen. Ab und zu nahmen Nachbarn auf Bitten von Frau T. den Hund mit zum „Gassigehen“.
Der Name Sonja, den ihre Eltern der Verstorbenen gaben, hat einen Wohlklang in vielen Weltsprachen, egal ob in deutsch, russisch, serbisch, englisch, italienisch, spanisch, französisch, tschechisch oder slowakisch. Ursprünglich ist Sonja die russische Koseform des weiblichen Vornamens Sophia, welcher „Weisheit“ oder „die Weise“ bedeutet. Ob Frau T. etwas von dieser Bedeutung gelebt hat? Wir wissen es nicht.
Über einen anderen internationalen Bezug aber kann berichtet werden. Sonja T. war mit einem Offizier der US-Armee verheiratet. Sie selbst arbeitete in der Verwaltung der US-Kaserne in Bamberg. Ihr Mann war auf einer Radarstation im Fichtelgebirge eingesetzt. Da die Eheleute sich aufgrund der Entfernung nur selten sahen, waren die Voraussetzungen für eine gelingende Partnerschaft nicht in idealer Weise gegeben. So wurde die Ehe nach 8 Jahren geschieden.
Danach lebte Frau T. ohne engere Bindung allein mit ihrem Hund. Ein Nachbar, zu dem sie ein wenig Vertrauen gefasst hatte, besuchte sie ab und an. Oft war sie niedergeschlagen, fast depressiv. Ihre Lebensfreude trat wenig zu Tage. Die aufmunternde Einladung, mal mit in ein Cafe zu gehen, schlug sie aus.
Es schien, als ob ihr Lebenswille gebrochen war. Wir wissen nicht, wie stark und warum. Und manchmal führte ihre Bedrücktheit zu schroffen Bemerkungen gegenüber anderen Hausbewohnern.
Dabei war ihre Wohnung schön und gepflegt. Die Möbel und die Ausstattung waren modern, die Balkonmöblierung sehr schön. Sie hatte Geschmack, ihre Kleidung war schick, nichts Altmodisches haftete ihr an.
Mit zunehmender Erkrankung ließ ihre Kultiviertheit etwas nach. Sie war eine starke Raucherin und litt unter Erstickungsanfällen. Mehrere Male musste sie vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht werden, wo sie schließlich am 17. November vergangenen Jahres starb.
Ein Leben, ein Schicksal ging zu Ende. Möge die Verstorbene dort, wo sie jetzt ist, dort, von wo wir alle herkommen und wohin wir alle gehen werden, möge sie dort ihren Frieden finden. Da dieser Ort für unseren menschlichen Verstand nicht in Worte gefasst werden kann, gilt der Satz des Philosophen Ludwig Wittgenstein: „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“
Lassen Sie uns ein paar Momente gemeinsam schweigen zum Tod von Sonja T.
(Musik: Pablo de Sarasate, Zigeunerweisen)
Vielen Dank für Ihre Anteilnahme.