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Trauerfeier für konfessionslose Verstorbene ohne Angehörige

Datum:
Veröffentlicht: 28.10.12
Von:
Michael Maisch

4. Oktober 2012, Bamberg Hauptfriedhof

Jedes Jahr sterben in Bamberg etwa 20 bis 25 Menschen, die keine Angehörigen haben und für deren Bestattung daher das Amt für soziale Angelegenheiten aufkommen muss. Seit Mitte 2011 gestaltet der Hospizverein Bamberg die Trauerfeier für die Verstorbenen, die keiner Religionsgemeinschaft angehörten (ohne Konfession oder Religion).

(Musik: Johann Sebastian Bach, Air Orchestersuite Nr. 3)

 

Sehr geehrte, liebe Anwesende,

wir sind heute hierhergekommen, um zwei Menschen die letzte Ehre zu erweisen. Da es niemanden gibt, der sich um ihre letzten Angelegenheiten kümmert, werden sie auf Kosten des Sozialamtes bestattet. Sie waren aber  Menschen, und wir wollen versuchen, ihnen heute noch einmal ein Gesicht zu verleihen und sie würdig verabschieden.

Das Wenige, was wir von ihnen wissen, sei hier berichtet:

Wolfgang R. starb am 22. August 2012 in Bamberg. Nachbarn hatten die Polizei gerufen, weil sie Herrn R. schon länger nicht mehr gesehen hatten. Es stellte sich heraus, dass er schon einige Zeit tot in seiner Wohnung in der Zollnerstr. 87 gelegen hatte. Ein anderer Nachbar bemerkte dazu lakonisch:“ In denen Häusern, da merkt der eine net auf den andern bis halt einer net mehr da ist.“

Über das Leben von Wolfgang R. gibt es nur ein paar bruchstückhafte Informationen. Er wurde am 21. Oktober 1958 geboren als Sohn des Ehepaares Max Johann R. und Kunigunda R. Er heiratete im Alter von 26 Jahren in Bamberg eine Frau namens  Maria. In der Heiratsurkunde ist als sein Beruf „Arbeiter“ angegeben. Zwei Jahre nach der Hochzeit kam die Tochter Caroline zur Welt, aber schon nach einem weiteren Jahr wurde die Ehe geschieden. Wir wissen nicht, ob der Verstorbene Kontakt hatte zu seiner Tochter, was er beruflich machte, ob und welche Freunde er hatte.

Wenn wir seinen Vornamen „Wolfgang“ näher betrachten, so klingt er sehr wehrhaft. Laut Grimms Wörterbuch  ist Wolfgang ein Heldenname, da der Wolf ein magisches Tier verkörpert. Als ursprüngliches Namengebungsmotiv vermutet ein anderes Wörterbuch jedoch einen Wunsch der Eltern für ihr Kind: „… dass ihm durch einen Namenzauber die bewunderten Eigenschaften des Tieres (…) zuteilwerden möchten.“ – Wir wissen nicht, ob der Zauber gewirkt hat. Der anonyme Tod des Wolfgang R. im Alter von 53 Jahren spricht allerdings nicht sehr dafür.

Manfred T. wurde am 12. Oktober 1939 in Stettin (heute polnisch „Szczecin“) in Westpommern geboren. Er hat nie geheiratet und es ist nicht bekannt, ob er Kinder hatte. Von seinen Bekannten werden zwei Eigenschaften an ihm hervorgehoben: er war immer sehr hilfsbereit und freundlich, aber er ließ nie jemand an sich heran, galt als verschlossener Einzelgänger.

Er lebte seit Jahrzehnten in der Greiffenbergstr.1 B. Die Straße ist benannt nach dem Bamberger Stammbetrieb der Greiffwerke, die ursprünglich beheimatet waren in der Stadt Greiffenberg in Schlesien (heute polnisch „Gryfów Śląski“). Bei Greiff in Bamberg hatte sein Vater gearbeitet.

Manfred T. war von Beruf Konstrukteur und übte diesen Beruf in Bamberg zunächst bei der Firma Messwandler aus. Als die Abteilung aufgelöst wurde, ging er zu Roscher Webstuhlbau. Diese Firma stellte aber ihren Betrieb ein und der Verstorbene erhielt eine Anstellung bei RZB-Leuchten.

Wenn auch seine Sozialkontakte nicht sehr eng waren, so tat er, was er konnte, um anderen zu helfen. Er pflegte sowohl seinen Vater als auch seine Mutter zu Hause, so dass ihnen die Einweisung in ein Heim erspart blieb. Um seine kranke Schwester, die allerdings auf stationäre Unterbringung angewiesen war,  kümmerte er sich auch.  Er war sich nicht zu schade, bei den Nachbarn die verstopfte Toilette wieder frei zu machen. - Lange Zeit war er als Segelflieger dem Aeroclub Bamberg verbunden, wo er aber auch als Einzelgänger galt. 

Gesundheitlich plagten ihn Lungenerkrankungen. Nach einem Schwelbrand in seiner Wohnung musste er mehrmals ins Krankenhaus. - Er war sehr tierlieb und seine Katze Susi hat immer auf dem Fensterbrett auf ihn gewartet, bis er nach Hause kam.

In den letzten Jahren war Manfred T. so etwas wie Stammgast im Eiscafé Lido in der Gartenstadt. Wenn ihm die Gespräche dort zu persönlich wurden, zog er sich aber zurück.

Erstaunt war seine Cousine, die ihn als ihren Lieblingscousin betrachtete, als er nichts mehr von ihr und der Verwandtschaft wissen wollte und sie von seinem Tod  über die Eisdiele informiert wurde. Auch die Wohnungsnachbarin stellte fest, dass er sich noch mehr abkapselte und eines Tages wie auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. Was war geschehen? Hatte ihn der Tod seiner Katze so erschüttert? Wir wissen es nicht und wahrscheinlich hat er auch mit niemandem darüber gesprochen. – Manfred T. starb am 5. Mai im Alter von 72 Jahren.

Zwei  Schicksale, zwei Leben, uns zum ehrenden Angedenken überlassen.

Mögen die Verstorbenen dort, wo sie jetzt sind, dort, von wo wir alle herkommen und wohin wir alle gehen werden, mögen sie dort ihren Frieden finden. Da dieser Ort oder dieser Zustand für unseren menschlichen Verstand nicht in Worte gefasst werden kann, gilt der Satz des Philosophen Ludwig Wittgenstein: „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“

Lassen Sie uns ein paar Momente gemeinsam schweigen zum Tod von Wolfgang R. und Manfred T.
 

(Musik: Felix Mendelssohn Bartholdy, Venezianisches Gondellied)

 

Vielen Dank für Ihre  Anteilnahme.