Zeitungsartikel "Verständnis statt guter Ratschläge"
Martha Petrak, 71, hat ihren Ehemann vor sechs Jahren verloren: „In der Dominikanischen Republik ist er krank geworden“, berichtet sie mit ruhiger Stimme den Anfang der Leidensgeschichte ihres Mannes. Als beide wussten, dass er nicht mehr zu heilen war, kam ihr Mann für drei Wochen auf die Palliativstation. „Zwölf Tage habe ich ihn dann noch zu Hause gehabt.“
Wir treffen Martha Petrak in den Räumen der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG). Es ist der erste Montag im Monat, 15 Uhr. Seit drei Monaten findet hier regelmäßig ein so genanntes Trauer-Café statt. Das ist ein offener Treffpunkt für Hinterbliebene, die Kontakt mit anderen Trauernden suchen.
Die Atmosphäre ist entspannt. Man fühlt sich eingeladen. Taschentücher liegen griffbereit auf den Tischen, denn es darf geweint werden. Teilnehmerin Ursula Matthäi beschreibt es so: „Es ist eine angenehme Situation hier: Man kommt rein, die Tische sind gedeckt und es riecht nach Kaffee.“ Die prunkvollen historischen Räume unterstreichen die wohlige Atmosphäre.
Damit der Kaffee pünktlich um 15 Uhr auf den Tischen steht, treffen sich die vier Hospizmitarbeiterinnen Anna Schubert, Hedwig Vogler, Annegret Schubothe und Martha Petrak schon eine Stunde vorher und bereiten alles vor.
„Wir stellen nur Zeit und Raum zur Verfügung“, erklärt Anna Schubert. Die 61-jährige Diplom-Psychologin ist im Hospizverein Bamberg Leiterin der Arbeitsgruppe Trauerbegleitung. Gemeinsammit ihren Kolleginnen Hedwig Vogler und Annegret Schubothe hat sie das Trauer-Café vor drei Monaten ins Leben gerufen. „Wir hatten schon lange die Idee“, sagt sie. „Aber es ist sehr personalintensiv.“ Mittlerweile besteht das Team aus zehn Personen, von denen immer vier am Trauer-Café teilnehmen. Sie helfen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei der Trauerbegleitung. Das Wort „Trauerbewältigung“ wird hier nicht so gern gehört.
Jeden Tag anders
„Die Trauer ist ja auch von Tag zu Tag verschieden“, wirft Martha Petrak ein, die ebenfalls zum Betreuerteam gehört, gleichzeitig aber auch selbst Trauernde ist. Aus der Hilfe und dem Trost, den Martha Petrak selbst auf der Palliativstation erfahren hat, regte sich in ihr das Bedürfnis, auch helfen zu wollen. Seit drei Jahren ist sie Hospizhelferin.
Relativ schnell nach dem Tod ihres Mannes sei der Wunsch entstanden, auch selber begleiten zu können, wie sie sagt. Erst hat sie einen Grundkurs absolviert und dann verschiedene Trauerbegleitseminare mitgemacht. Insgesamt drei Jahre dauerte die Ausbildung. Aus ihrer Erfahrung heraus sagt sie heute: „Wenn ich das Wissen, das ich heute habe, schon bei meinem Mann gehabt hätte, wäre ich mit ihm anders umgegangen.“ Und energisch ergänzt sie: „Wir haben uns beide was vorgemacht und heimlich geweint“ – ein Trauer-Café hätte sich die 71-Jährige für damals schon gewünscht. Sie ist überzeugt davon, dass es ihr beim Trauern geholfen hätte.
Nun steht sie als helfende Begleiterin da, und die Leidenschaft, mit der sie sich einsetzt, ist ihr anzusehen: „Mir macht das – in Anführungszeichen – Spaß, da geh ich immer lächelnd raus“, so ihr persönliches Resümee.
Das Trauer-Café wird bisher sehr gut angenommen, sagen die Initiatorinnen. Bis zu 20 Hinterbliebene waren bei jedem der Termine da. Man ist ungezwungen. „Jeder kann kommen, wann er will. Das richtet sich nach dem Befinden jedes Einzelnen“, sagt Hedwig Vogler. Bei den zwei Stunden dauernden Treffen können sich die Teilnehmer austauschen, Freundschaften schließen, Unternehmungen planen.
Und vor allem: Es gibt keine „guten Ratschläge“. Anna Schubert nennt ein Beispiel: „Wenn ein Trauernder sagt, er kann nachts nicht schlafen, dann sagt beim Trauer-Café jemand‚ 'das geht mir auch so'. Auf der Straße würde man eher den Rat hören‚ 'dann musst du eine Runde spazieren gehen' oder 'dann trink dir einen'."
Schläge statt Ratschläge
Teilnehmerin Gertrud Herrmann fügt bestätigend hinzu: „Die so genannten guten Ratschläge, die man bekommt, das sind oft gewaltige Schläge. Das will man gar nicht hören. Die Leute haben Angst, dass wir weinen.“ Beim Trauer-Café darf geweint werden. Es gehört einfach dazu und es stört niemanden. „Wer nimmt sich denn heute noch Zeit, wenn es einem schlecht geht?“, sagt Martha Petrak. Eine Antwort ist die Gemeinschaft im Trauer-Café.
Kontakt
Zeit und Ort
Das Trauer-Café des Hospizvereins Bamberg findet immer am ersten Montag im Monat von 15 bis 17 Uhr in den Räumen der Katholischen Hochschulgemeinde, Friedrichstraße 2 (am Schönleinsplatz), statt.
Informationen dazu und zu anderen Angeboten bekommt man im Hospizbüro, Lobenhofferstraße 10, Telefon 0951/955070, oder im Internet unter www.hospizverein-bamberg.de.
Quelle: Fränkischer Tag